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Ein schlauer Spruch

Es gibt ja viele so schlaue Sprüche mit doppeltem Boden á là "Life is what happens to you while you're busy making other plans". Natürlich kann man seine persönliche Lebensanschauung nicht auf so einen Satz eindampfen, aber man kann doch einiges da reinstecken und den Leser zum nachdenken anregen.
Leider kann ich von dem Spruch, für den ich mich zur Eröffnung meiner philosophischen Betrachtungen entschlossen habe, nicht sagen, dass es ein Zitat von John Lennon, Sokrates, Willy Brand oder Helge Schneider ist. Vielmehr war dieser Spruch Bestandteil eines Nike-Fernsehspots im Jahre 1995. Das diese Firma durchaus in der Lage ist, nachdenkenswertes in ihren Kampagnen unterzubringen, hat sie auch mit der Vewendung eines längeren Zitates aus Alan Sillitoes "The Loneliness of the Long-distance runner" in einer Anzeige bewiesen (so ziemlich das gleiche Zitat, das sich auch unter Der Autor-Mountainbiken findet, womit also die Verbindung zwischen Philosophie und Fahrradfahren hergestellt wäre).
Der Spot lief bei MTV-Europe (damals noch ein englischsprachiger Sender) und ich habe ihn auf VHS aufgezeichnet (selbstverständlich mono! ). Von da habe ich das Ganze anno '95 auf Musikkassette überspielt (und dabei etwas übersteuert). Von dieser Kassette habe ich es dann jetzt mit meiner mittelmäßigen Soundkarte digitalisiert und schließlich ins mp3pro Format umgerechnet (64kbps, läuft auch auf jedem normalen mp3-Player). Kurz gesagt: die Qualität ist grottenschlecht. Dazu kommt, das Nike wohl aus werbetaktischen Gründe das Ganze mit einem leierigem Gesumme und etwas Geklampfe hinterlegt. Was soll's, hört einfach mal rein!

reinhören

Wer keine Lust auf dieses Multimedia-Highlight hat, der kann das Sprüchlein auch einfach lesen:

"A million years ago, people used to run through the woods, climb up mountains, and dance in the moonlight - because there wasn't anything better to do. There still isn't. "

Ich finde, es klingt auf englisch cooler als auf deutsch, aber ich versuche mich totzdem mal an einer Übersetzung:

"Vor einer Millionen Jahren rannten die Menschen durch die Wälder, und kletterten auf Berge, und tanzten im Mondlicht - weil es nichts besseres zu tun gab. Gibt es immernoch nicht. "

Weshalb ich den Spruch gut finde:

Er startet mit "A million years ago, people...". Bei genauer Betrachtung ist schon nach dieser Einleitung klar, dass man den Spruch nicht ganz ernst nehmen kann, sondern er mit einem Augenzwingern zu verstehen ist. Ich bin zwar kein Evolutions-Experte, aber nach strenger Definition gab es vor einer Millionen Jahre noch gar keine Menschen. Weniger kleinlich betrachtet, soll uns die Einleitung wohl in eine längst vergangene Zeit versetzten, in der es noch kein Fernsehen, keine Computer, keine Bücher, kein Internet, keine Freizeitparks und keine Spielkonsolen etc. gab.
Weiter geht der Spruch mit der Aussage, dass die Menschen damals durch die Wälder liefen, auf Berge kletterten und im Mondlicht tanzten, weil es nichts besseres zu tun gab. Auch hier kann man erstmal nüchtern einwerfen, dass die Menschen, damals vor langer Zeit, den ganzen Tag damit beschäfftigt waren, am Leben zu bleiben - zwischen jagen, Früchte sammeln, Faustkeile basteln und Feuer machen blieb wohl eher wenig Zeit für Waldläufe und Trekking-Touren (es sei denn, sie gehörten zum Jagen oder Früchte sammeln dazu). Aber beim ersten hinhören stört man sich weniger an diesen Kleinigkeiten, sondern denkt als Zivilisationsmensch, was man heute alles besseres anstellen kann (fernsehen, lesen, Kino...). Und dann kommt die Quintessenz in dem Nachsatz: There still isn't. Hier sollte man - meine persönliche Meinung - mal innehalten, und sich fragen, wann man das letzte Mal im Mondlicht getanzt hat. Wahrscheinlich ist es länger her als der letzte Kinobesuch, oder das letzte Spiel am PC oder etc. . Denn letztlich ist es wahr: Es gibt nichts besseres als durch einen Wald zu rennen, durch einen See zu schwimmen oder sich unter dem Sternenzelt zu lieben. Ich persönlich kann nur in solchen Situation erahnen, was es eigentlich heißt, ein Mensch zu sein.
Das ist jetzt nicht als "back to nature" Aufruf zu verstehen. Ich habe nur die persönliche Erfahrung gemacht, dass man sich einfach besser fühlt, wenn man sich ab und an die Zeit nimmt und sich auf seine Wurzeln besinnt. Man kann dabei gut abschalten und seinen Standort bestimmen. In meinem Tagebuch (das ich todsicher nicht im Web veröffentlichen werde) habe ich mal sinngemäß geschrieben: Man kann sich darüber klar werden, wo man herkommt und wo man hingeht - und ob man da überhaupt hin will.
Um es nochmal klar zu sagen: Ich rede hier von Auszeiten in unserem hektischen Leben, und das heißt, dass ich dieses Leben sehr wohl akzeptiere und auch nicht verdamme. Auch wenn es mir schwer fällt, den Sinn einer Soap-Opera o.ä. zu erkennen, gehören solche Dinge doch irgendwie zu unserem Leben dazu. Aber um es nochmal mit einem Zitat zu sagen:
"Wenn wir erst einmal die großen Städte verlassen haben, dann befinden wir uns bei Anbruch der Nacht sofort weit draußen im Weltraum, dachte ich. Aber ein ständig wachsender Teil der Menschheit lässt sich in einen optischen Treibhauseffekt einwickeln und vergisst so, wer wir sind und woher wir kommen. So wie Natur für viele synonym geworden ist mit Fernsehbildern, Topfblumen und Vögeln im Käfig, ist der Weltraum etwas, das wir uns im Planetarium ansehen." (aus: Jostein Gaarder "Maya"). Ich finde, soweit sollten wir es nicht kommen lassen


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